Christoph Ackermann

1973: Die geheime Sportgruppe – Der Golf GTI als Geheimprojekt

1973 war Volkswagen auf dem Weg, sich komplett neu zu erfinden. Der Golf 1 sollte als moderner Nachfolger des Käfers Volkswagen in eine neue Ära führen. Praktisch, effizient und für die breite Masse gedacht. Doch innerhalb von VW gab es einige Techniker, die von mehr träumten – einem echten Sportmodell.

Die Schlüsselfiguren dieser inoffiziellen Sport-Truppe waren:

  • Hermann Hablitzel (Leiter Gesamtfahrzeug-Entwicklung)
  • Alfons Löwenberg (Fahrwerkspezialist)
  • Franz Hauk (Testingenieur)
  • Anton Konrad (damaliger PR-Chef und Motorsportfan)

Doch es gab ein Problem: Offiziell gab es kein Sport-Golf-Projekt.

Volkswagen war ein Massenhersteller und wollte von leistungsstarken Kompaktsportlern nichts wissen. Also beschlossen die Techniker, nach Feierabend an einem Prototypen zu arbeiten – ohne Budget, ohne offizielle Freigabe und mit viel Eigeninitiative.

Der Motor – Ein Griff ins Audi-Regal

Die grösste Herausforderung war die Motorisierung. Volkswagen hatte keine passende Maschine im Programm, also musste man improvisieren. Die Lösung lag bei Audi.

Der Audi 80 GTE (B1) hatte bereits einen leistungsstarken 1,6-Liter-Einspritzmotor mit Bosch K-Jetronic. Er lieferte 110 PS und war damit perfekt für einen leichten Kompaktwagen wie den Golf.

Warum gerade dieser Motor?

Aluminium-Zylinderkopf für geringes Gewicht
Elektronische Einspritzung für bessere Dosierbarkeit und Effizienz
Hohe Drehfreude für sportliche Fahrleistungen

Doch der Motor passte nicht ohne Anpassungen:

  • Er musste um 20 Grad nach hinten geneigt werden, um unter die flache Golf-Motorhaube zu passen.
  • Die Ölwanne wurde modifiziert, um Platzprobleme zu lösen.
  • Das Getriebe wurde vom Golf übernommen, aber mit einer anderen Übersetzung angepasst.

Die Bremsanlage – Not macht erfinderisch

Mit mehr Leistung musste auch die Bremsleistung verbessert werden. Da Volkswagen keine Hochleistungsbremsen im Programm hatte, griff man zu einer ungewöhnlichen Mischung:

  • Vordere Scheibenbremsen vom Audi 80 GTE
  • Hintere Trommelbremsen vom Serien-Golf (Scheibenbremsen hinten kamen erst später)
  • Bremskraftverstärker vom VW Scirocco

Damit war die Technik bereit für den ersten Prototypen. Doch noch war das Projekt nicht offiziell abgesegnet.

1975: Die heimliche Probefahrt mit Ernst Fiala

Zwei Jahre lang wurde der GTI im Geheimen entwickelt. 1975 kam der entscheidende Moment: Die Entwickler überredeten den damaligen VW-Technikvorstand Dr. Ernst Fiala zu einer Probefahrt.

Die Erwartungen waren niedrig – doch Fiala war nach wenigen Kilometern begeistert. Sein Urteil war eindeutig: „Das Auto müssen wir bauen!“

Damit war das Geheimprojekt plötzlich offiziell – der Golf GTI ging in Serie.

Die Strategie war klar:

  • So wenig Änderungen wie möglich gegenüber dem Serien-Golf, um die Kosten niedrig zu halten.
  • Sportliche Optik, aber kein Extrem-Design, damit das Auto alltagstauglich blieb.
  • Maximale Fahrfreude mit minimalem Gewicht und hoher Agilität.

1976: Der Golf GTI wird vorgestellt – und überrascht alle

Im Juni 1976 wurde der Golf GTI auf der IAA in Frankfurt präsentiert. Doch selbst bei VW glaubte man nicht an einen grossen Erfolg – man rechnete mit höchstens 5.000 verkauften Exemplaren.

Die wichtigsten Merkmale der ersten Serie:

  • Motor: 1,6-Liter-Einspritzer mit 110 PS
  • Beschleunigung: 0–100 km/h in 9,2 Sekunden
  • Höchstgeschwindigkeit: 182 km/h
  • Gewicht: 810 kg
  • Design-Details:
    • Roter Zierstreifen im Kühlergrill
    • GTI-Emblem an Front & Heck
    • Schottenkaro-Sportsitze
    • Drei-Speichen-Sportlenkrad

Doch dann geschah das Unerwartete: Der GTI wurde ein Verkaufsschlager. Die ersten 5.000 Exemplare waren sofort ausverkauft, und am Ende wurden bis 1983 461.690 Golf 1 GTIs produziert.

Warum der Golf GTI Geschichte schrieb

Der Golf GTI war mehr als nur ein leistungsstarker Kompaktwagen – er war eine Revolution.

  1. Er machte Sportwagen für jedermann erschwinglich.
  2. Er kombinierte Fahrspass mit Alltagstauglichkeit.
  3. Er begründete eine neue Fahrzeugklasse – den Hot Hatch.
  4. Er wurde zur Design-Ikone – das GTI-Emblem steht bis heute für Performance.

Fazit: Eine Ikone, die fast nie gebaut worden wäre

Ohne die geheime Sportgruppe bei VW wäre der Golf GTI nie entstanden. Heute ist er einer der bedeutendsten Kompaktsportler aller Zeiten – ein Auto, das die Automobilwelt nachhaltig geprägt hat.

Und das Beste: Seine DNA lebt bis heute weiter.

Zusätzliche GTI-Fakten für Enthusiasten:

  • Der legendäre Golfball-Schaltknauf entstand als Notlösung. Ursprünglich hatte der GTI einen runden Schaltknauf, doch die Testfahrer fanden ihn zu unsportlich. Die Lösung: Ein Golfball-Design, das besser in der Hand lag.
  • Die ersten GTIs hatten keinen Drehzahlmesser. Erst später wurde er serienmässig verbaut.
  • Die GTI-Sitze mit Schottenkaro waren an britische Sportwagen angelehnt. Die Designer wollten, dass sich der Innenraum sportlich, aber nicht übertrieben anfühlt.

Der Golf 1 GTI war kein Auto, das am Reissbrett entstand – sondern ein Auto aus Leidenschaft.

Hast Du eigene Erinnerungen an den Golf 1 GTI? Lass es uns wissen!

Bild: Volkswagen Gruppe

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